Sie sind ein komplexes Phänomen: toxische Beziehungen.
Wie kann man sie erkennen? Wie vermeiden und wie kann Betroffenen geholfen werden?
Über 100 Personen waren dabei. Die Veranstaltung, eine Kooperation zwischen HPH, den Gleichstellungsbeauftragten von Frankenthal, Ludwigshafen und dem Rhein-Neckar-Kreis sowie dem Soroptimist Club Ludwigshafen, diente der Aufklärung, Sensibilisierung und Vernetzung.
Es ist schon eine gute Tradition: Anlässlich des Tags gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November und den daran anschließenden „Orange Days“ laden die Akademie für Frauen im HPH und die Gleichstellungsbeauftragten von Frankenthal, Ludwigshafen und dem Rhein-Pfalz-Kreis zu einer Veranstaltung ein, um „ein orangenes Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zu setzen“, wie die Gleichstellungsbeauftragte des Rhein-Pfalz-Kreises, Kornelia Tildmann in ihrer Begrüßung sagte. Erstmals wurde die Veranstaltung in diesem Jahr zusammen mit dem Soroptimist International Club Ludwigshafen organisiert – „eine gewinnbringende Netzwerkarbeit“, so Kornelia Tildmann. Soroptimist International ist ein weltweites Netzwerk berufstätiger Frauen, das sich für die Rechte von Frauen einsetzt.
„Toxische Beziehungen können der erste Schritt in eine Spirale sein, die Frauen in Gewalt verstrickt. Wir möchten mit dieser Veranstaltung das Bewusstsein schärfen“, leitete Moderatorin Ulrike Gentner, Direktorin Bildung im HPH, den Abend ein. Die Dipl. Sozialpädagogin Katja Neumann von der Betrieblichen Sozialberatung der BASF beleuchtete das Thema aus der Perspektive der betrieblichen Sozialberatung. „Toxische Beziehungen sind ein schädliches Interaktionsmuster, das oft als unausweichlich empfunden wird – und das kann gefährlich werden,“ so Neumann. Ihr Vortrag machte deutlich, dass toxische Verhaltensweisen wie Kontrolle, Manipulation, Beschuldigungen, Drohungen oder übermäßige Liebesbekundungen der Anfang einer Abwärtsspirale sein können, die Betroffene emotional abhängig macht und isoliert.
„Es geht häufig um Macht, Bestimmung, Unterdrückung und Unterwerfung“, erläuterte die Expertin anhand von praktischen Beispielen aus der Beratung. Eine Seite übernehme dabei die gesamte Beziehung für eine gelingende Beziehung, nehme die komplette Schuld auf sich und unterdrücke eigene Bedürfnisse. „Früher oder später kommen verbale und digitale, psychische und körperliche Gewalt mit ins Spiel. Es ist ein gleitender Übergang und ein sich verstärkendes Wechselspiel von Zuckerbrot und Peitsche“. Dabei ist die betroffene Person immer voller Hoffnung, dass die andere Person sich irgendwann wieder anders verhält. „All das macht es schwierig, aus dem Teufelskreis herauszufinden“, erklärte Neumann. Klar ist: „Es ist eine komplexe Gemengelage, es gibt kein klares Täter-Opfer-Profil“. Solche Beziehungen können sich oft jahre- oder sogar jahrzehntelang hinziehen. Scham und Angst, so Katja Neumann, verhindern häufig, dass frühzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird.
Personen in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis brauchen günstige Bedingungen, um sich lösen zu können. Neumann benannte psychosoziale Unterstützung durch Vertraute und/oder professionelle Helfer, aber auch Wohnraum, finanzielle Absicherung, juristische Unterstützung und ein Konzept zum Umgang mit gemeinsamen Kindern. „Es ist ganz wichtig, über die Situation zu sprechen. Das ist der erste Schritt, um dann mit Unterstützung dafür zu sorgen, aus der schädlichen Situation herauszukommen“, betonte sie und listete verschiedene Ansprechpartner wie Caritas, Diakonie, Frauen- und Männerberatungsstellen oder betriebliche Sozialberatungen auf. „Zögern Sie nicht, lassen Sie sich unterstützen oder machen Sie Betroffenen die Unterstützungsmöglichkeiten klar“, lautete ihr Appell.
Eine anschließende Podiumsdiskussion mit Cornelia Bauditz vom Frauenhaus Ludwigshafen, der Dipl.-Psychologin Stephanie Kneuper und Polizeihauptkommissarin Sonja Walter, Verantwortliche der Polizeidirektion Ludwigshafen für das Hochrisikomanagement im Bereich der häuslichen Gewalt, beleuchtete die Dynamik und Komplexität solcher Beziehungen weiter. Walter gab Einblick in die polizeiliche Arbeit bei häuslicher Gewalt: „Die Polizei unterliegt der Strafverfolgung. Wenn sich jemand an uns wendet, müssen wir eine Anzeige aufnehmen“, sagte sie. Es gebe bei der Polizei allerdings auch eine Opferschutzbeauftragte, die nicht dem Strafverfolgungszwang unterliege. Cornelia Bauditz wies darauf hin, dass toxische Beziehungen schleichend entstehen und jeden treffen können. „Es ist wichtig, darüber zu sprechen,“ betonte sie, „sei es im Familienkreis oder mit Beratungsstellen.“
Psychologin Kneuper erklärte, dass die emotionale Abhängigkeit in toxischen Beziehungen vergleichbar mit Suchtmechanismen sei. „Dieses emotionale Auf und Ab macht süchtig. Es braucht Unterstützung und Geduld, um sich aus einer solchen Dynamik zu lösen und neue Verhaltensmuster zu entwickeln,“ sagte sie.
Der Abend brachte viele Erkenntnisse: Es braucht Sensibilität im Umgang mit anderen und sich selbst, um toxische Verbindungen zu erkennen und zu vermeiden. Gleichstellungsbeauftragte Birgit Löwer betonte abschließend, wie wichtig Achtsamkeit ist, um sich und andere zu schützen. Unterstützung finden Betroffene – Frauen wie auch Männer -– bei zahlreichen Hilfsangeboten, wie Frauenhäusern, Beratungsstellen und speziellen Männerberatungen.